OLG Schleswig, 13.3.2015 – 17 U 98/14
Die bloße Aushändigung eines Energieausweises durch den Makler führt nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.
Der Beklagte beauftragte in 2009 einen Makler das Grundstück samt Haus Baujahr 1934 zu veräußern. Er ließ einen Energieausweis ausstellen und überreichte ihn dem Makler. Letzterer gab den Energieausweis, kurz vor dem Abschluss des Kaufvertrags im Februar 2011, an den Käufer weiter. Nach dem ersten Winter kam es zum Streit, ob der Energieausweis inhaltlich richtig sei und der Verkäufer legte im Januar 2014 einen korrigierten Energieausweis vor. Der Sachverständige der Käufer schätzte den Minderungswert aufgrund des fehlerhaften Energieausweises auf 22.000 Euro ein. Der Verkäufer lehnte die Forderungen ab. Das Landgericht Schleswig-Holstein gab dem Verkäufer am 7. November 2014 Recht und das Oberlandesgericht bestätigte am 28. Februar 2015 auch dieses Urteil.
Im Vertrag hatten die Parteien unter der Überschrift „Gewährleistung“ Folgendes vereinbart: „Der Verkauf erfolgt im übrigen …wie besehen und unter Ausschluss jeglicher Haftung für Fehler und Mängel, gleich welcher Art. Von dem Haftungsausschluss ausgenommen sind Ansprüche des Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, und auf Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen. Einer Pflichtverletzung des Verkäufers steht die seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich.“
Die Käufer und der Verkäufer diskutierten weder während des Vertragsabschusses beim Notar noch sonst über die Angaben im Energieausweis und der Projektdokumentation.
Später jedoch stellten die Käufer fest, dass der Energieausweis nicht korrekt war und verklagten den Verkäufer. Letzterer legte daraufhin einen korrigierten Energieausweis vom 22. Januar 2014 vor. Dieser wies nun einen Jahres-Primärenergiebedarf von 279 kWh/(m² a) und einem jährlichen Energiebedarf an Heizöl-EL von 201,7 aus.
Im Winter 2011/2012 stellen sie jedoch fest, dass sich die Räume des gekauften Hauses nicht ausreichend beheizen lassen. Im August 2012 hatte ihnen ein Dachdecker mitgeteilt, dass das Dach nicht mit einer Stärke von 14 cm gedämmt sei. Allerdings hätte ihrer Meinung nach der Verkäufer auch bereits gewusst, dass das Dach nicht hinreichend gedämmt sei und dass sich das Dachgeschoss nicht ausreichend beheizen lässt. Dem Verkäufer unterstellen die neuen Eigentümer, dass er auch gewusst hätte, dass der beauftragte Sachverständige unzutreffende Angaben gemacht hätte.
Es sei allerdings offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen ihm und dem Aussteller gekommen, als dieser nach der Stärke der Dämmung des Dachgeschosses gefragt habe. Er selbst habe erwidert, dass er eine 14 cm starke Dämmung im Spitzboden am Giebel eingebaut habe. Dabei sei er von dieser Stärke ausgegangen, weil er unterstellt habe, die Sparrenstärke entspreche der Stärke der Deckenbalken.
Das Dach habe er nicht geöffnet. Er meine auch, dass er im Jahre 1987 die Sparren voll ausgefüllt habe. An Einzelheiten könne er sich nicht mehr erinnern. Zu den Dämmstärken im Bereich des übrigen Daches habe er keinerlei Aussagen getroffen. Das Mittelgeschoss sei ebenfalls 1987 von einem Unternehmen ausgebaut worden, ohne dass er wisse, welche Dämmung dort eingebaut worden sei. Die übrigen Angaben in der Projektdokumentation seien ihm völlig unbekannt.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Energieausweis. Für dessen Richtigkeit habe der Verkäufer nicht einstehen wollen. Dafür spreche insbesondere, dass seinerzeit noch nicht einmal die Pflicht zur Übergabe eines Energieausweises bestanden habe.
Im Feld „Hinweise zur Verwendung des Energieausweises heißt es:
„Der Energieausweis dient lediglich der Information. Die Angaben im Energieausweis beziehen sich auf das gesamte Wohngebäude oder den oben bezeichneten Gebäudeteil. Der Energieausweis ist lediglich dafür gedacht, einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden zu ermöglichen.“
… in der Ermächtigungsnorm des § 5a EnEG heißt es in Satz 3: „Die Energieausweise und die Angaben aus den Energieausweisen, die auf Grund einer Verordnung nach Satz 2 Nummer 6 in Immobilienanzeigen in kommerziellen Medien genannt werden müssen, dienen lediglich der Information.“ Und auch aus den Gesetzesmaterialien zur EneV (BR-Drs. 282/07, S. 118 f. zu Abschnitt 5) ergibt sich „dass Rechtswirkungen in Kauf- oder Mietverträgen in der Regel nur dann entstehen, wenn die Vertragsparteien den Energieausweis ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machen“.
Die Käufer seien davon ausgegangen, dass das Energiegutachten schon richtig sein werde. Bei der Beurkundung sei nicht über das Gutachten gesprochen worden.
Begründung
1. Die Käufer können eine Minderung nicht aufgrund eines vertraglichen Gewährleistungsanspruches gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 441 (Minderung), § 437 (Rechte des Käufers bei Mängeln) Nr. 2. 2. Var., § 434 (Sachmangel) verlangen. Denn trotz der von den Angaben im Energieausweis und der Projektdokumentation abweichenden energetischen Eigenschaften und der behaupteten schlechten Beheizbarkeit der oberen Etage weist das Hausgrundstück keinen Sachmangel auf.
2. Aber auch ein auf das negative Interesse gerichteter Anspruch der Käufers auf Ersatz des behaupteten Minderwertes des Hauses kommt weder nach BGB § 280 (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung), § 311 (Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse) Abs. 2 in Verbindung mit BGB § 241 (Pflichten aus dem Schuldverhältnis) Absatz 2 unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen eine vorvertragliche Aufklärungspflicht noch eines deliktischen Handelns nach BGB § 823 (Schadensersatzpflicht) Absatz 2 in Verbindung mit dem Strafgesetzbuch StGB § 263 (Betrug) in Betracht.
Quellen: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 13.03.2015, Aktenzeichen 17 U 98/14 | 7 O 203/13 Landesgericht Itzehoe, www.schleswig-holstein.de | www.dnoti.de/entscheidungen | Redaktion EnEV-online.de
Stellungnahme von Andreas Gieß
Einem Sachverständigem würde man in einem ähnlich gelagerten Fall vermutlich grobe Fahrlässigkeit vorwerfen, wenn er ein Gutachten lediglich mit Angaben Dritter erstellt.
Zitat: „Der Energieausweis dient lediglich der Information. Die Angaben im Energieausweis beziehen sich auf das gesamte Wohngebäude oder den oben bezeichneten Gebäudeteil. Der Energieausweis ist lediglich dafür gedacht, einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden zu ermöglichen.“
Kann man es dem Berater verdenken, wenn er halt nur „überschlägig“ rechnet?
Ein Altbau ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie was man bekommt!
Mit Sicherheit kann man allerdings mit Sachverstand den Deckel anheben. In diesem Sinne, frohes Altbaukaufen.