DIN 1946-6: Viel Luft um nichts? Stellungnahme!

17 Mai 2017

DIN 1946-6: Viel Luft um nichts? Stellungnahme!

Folgenden Artikel habe ich auf www.schimmelprotektor.de gesehen.

Ich kann die Aussagen nicht unkommentiert lassen, daher habe ich den kompletten Artikel hier eingestellt. Meine Stellungnahmen folgen im Kontext in Kursiv und Blau dargestellt.

 

DIN 1946-6: Viel Luft um nichts?

An der DIN 1946-6, die seit Mai 2009 das Lüften von Wohnungen regeln soll, scheiden sich die Geister. Das hat auch Auswirkungen auf das Mietrecht, denn hier kommen die Gerichte immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen, wie richtiges Lüften aussieht. Viel Luft um nichts also, wenn es um die DIN 1946-6 geht? Wir haben mit Prof. Dr. Uwe Meiendresch einen Experten im Baurecht gefragt. Meiendresch ist Vorsitzender Richter am Landgericht Aachen und Honorarprofessor an der RWTH Aachen. Er ist Vortragender auf Kongressen zum Thema Schimmelpilz, zuletzt auf der Schimmelpilzkonferenz 2017 in Berlin. Am 23. Juni wird Meiendresch Gastredner beim Weltneuheiten-Tag der Klimagriff GmbH in Solingen sein.

Herr Professor Meiendresch, wenn in einer Mietwohnung Schimmelbefall auftritt, wird das Lüftungsverhalten des Mieters oft zum Streitfall. Was sagt eigentlich der Gesetzgeber zum richtigen Lüften?

„Der Gesetzgeber sagt nicht ausdrücklich, wann und wie ein Benutzer der Wohnung genau zu lüften hat. Die Energie-Einsparverordnung (EnEV) sieht vor, dass Gebäude dicht zu sein haben, also insoweit sie wenig Luftaustausch aufweisen. Ob der Gesetzgeber im neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) aktiv wird und einen gewissen Luftwechsel vorschreibt, bleibt wahrscheinlich erst der neuen Legislaturperiode vorbehalten.”

Das wird auch nicht in der nächsten Legislaturperiode, mit Änderung des GEG geklärt werden können, weil es DEN gewissen Luftwechsel für eine Wohneinheit nicht gibt! Es muss auch mal ganz klar die Aussage formuliert werden, dass ein SV das Nutzerlüftungsverhalten auch nicht faktisch nachweisen kann. Ich befürchte, dass die eh schon kritisch betrachtete Thematik immer höher gekocht wird, bis keiner mehr weiß wie/was noch zu tun ist. Weder bei den Sachverständigen, noch bei Anwälten und Richtern.

Ich reduziere mal die ganz Diskussion nur auf die bauphysikalischen Faktoren der Gebäudedichtheit, ohne auf irgendwelche Normen nun zu reiten! A) Die Gebäude werden im Neubau und in der Sanierung dichter! B) Der unkontrollierte Luftaustausch wie bei alten Gebäuden existiert nicht mehr! C) Wie also die anfallenden Raumluftfeuchten abführen?

Somit ist die Forderung des „nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels für den Feuchteschutz“ durchaus sinnvoll und logisch. Letztentlich geht es darum, wieviel Luftmenge/Std. in einer Wohneinheit umgesetzt werden muss. Dies auch einer der Kritikpunkte der DIN 1946-6, dass wie eff. Luftwechselraten zu hoch angesetzt wurden… aber das ist doch in der Norm korrigierbar, ohne nun das GEG aktuallisieren zu müssen, was auch nicht funktionieren wird.

Deutsche Gerichte kommen hinsichtlich des Lüftens immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen. Warum ist es bis jetzt noch zu keiner juristischen Grundsatzentscheidung gekommen?

„Ihre Frage ist berechtigt. Eine klärende Stellungnahme durch ein hohes Gericht ist immer wünschenswert, vor allem zu Fragen, die jeden betreffen. Ein Grundsatzurteil setzt aber voraus, dass die Streitparteien dies wünschen, die erheblichen Kosten dafür tragen und dass eine solche Entscheidung für den konkreten Streit maßgeblich ist. In Mietsachen gibt es noch ein Problem: Gerichtliche Auseinandersetzungen über Wohnraum beginnen nach den Verfahrensordnungen am örtlichen Amtsgericht und enden auch bei hohen Streitwerten grundsätzlich am Landgericht. Schon von daher ist eine Grundsatzentscheidung eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes in Mietsachen selten.

In der Tat ist der Mieter zum ordnungsgemäßen, angemessenen Gebrauch der Mietsache verpflichtet, also auch zum Lüften der Wohnung. Die Gerichte vertreten unterschiedliche Auffassung dazu, tendieren aber dazu, dass der Mieter zweimal täglich rund zehn Minuten zu lüften hat – und zusätzlich lüftet, wenn er seine Wäsche in der Wohnung trocknet. Vielleicht kann man das als Leitlinie nehmen.”

Wie soll ein Richter eine solche Frage beantworten? Er kann es nicht! Die mir bekannte Rechtssprechung zu dieser Thematik geht meist vollkommen an den Gesetzen der Bauphysik vorbei! Warum? Weil Richter dafür kein Auge haben dürfen… müssen! Ein Richter hat gesetzkonform Recht zu sprechen, nicht aber nach den Gesetzen der Bauphysik. Entsprechend wie die Fallsituation ist, kommt es bundesweit für den sachverständigen Leser zu vollkommen unverständlichen Entscheidungen, welche entsprechend der Falllage rechlich richtig sein können.

Es ist in der Aussage von Prof. Dr. Uwe Meiendresch zu entnehmen („Wäsche in der Wohnung trocknen“), dass die juristischen Bewertungen/Beurteilungen nichts mit der Realität zu tun haben. Gemeint ist, wie und wie oft soll denn der Mieter lüften, wenn er die Wäsche in der Wohnung trocknet… wenn überhaupt schadensfrei möglich? Das ist eine Frage, welche nicht pauschal sachverständig und juristisch beantwortet werden kann und ist fallspezifisch. Trocknet der Mieter nun 1×1 Maschine in der Woche in der Wohnung, oder 4 Maschinen? Wieviel Kg-Wäsche insgesamt? Im Detail könnte man dann noch fragen mit welcher Umdrehung der Schleudergang ausgeführt wird, um evtl. die freigesetzte Menge Wasser der frei zu trocknenden Wäsche zu bestimmen. 

Mit Verlaub, das geht zu weit, weil auch nicht nachweisbar.

Für Neubauten und sanierte Bestandsbauten wurde mit der DIN 1946-6 eine Lüftungsnorm auf den Weg gebracht, die ein nutzerunabhängiges Lüften vorsieht. Unter Experten ist die DIN aufgrund von Widersprüchen seit Jahren umstritten. Welche Folgen hat das für die Rechtsprechung?

„Das ist nicht einfach zu beantworten. Eine DIN gilt an sich für den Rechtstreit nur, wenn sie von den technischen Fachkreisen akzeptiert wird. Die genannte DIN 1946-6 (2009) sieht bei Neubauten und umfangreicheren Sanierungen ein Lüftungskonzept mit Infiltrationsberechnung vor. Reicht die Luftzufuhr über Gebäudeundichtigkeiten nicht aus, muss der Bauherr, das ausführende Bauunternehmen oder der Architekt nach der genannten DIN lüftungstechnische Maßnahmen vorsehen – etwa Schächte, Ventile oder ventilatorgestützte Lüftungen –, also Lüftungsanlagen erwägen bzw. umsetzen. Ende 2012 hat Dipl.-Ing. Norbert Swensson, beratender Ingenieur, Bochum, eine Umfrage hinsichtlich der Sinnhaftigkeit von nutzerunabhängigen Wohnungslüftungen durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass die DIN 1946-6 in der Praxis ganz überwiegend nicht akzeptiert wird.

Jüngst hat noch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 3. 5. 2016 – bei der Beurteilung von Lüftungen im Schallschutzbereich des geplanten Flughafens in Berlin – nicht die Erfüllung der DIN 1946-6 verlangt. Die Gerichte gehen wohl weiter davon aus, dass ein Mieter von seinem Vermieter nicht die in DIN 1946-6 vorgesehene nutzerunabhängige Lüftung verlangen kann.”

Bezeichnent ist, dass diese Umfrage an Architekten (und Architekten SV´s; IHK „Schäden an Gebäuden) gestellt wurde. Was sollen Architekten antworten, wen sie dazu verdonnert werden (auch noch) für jeden Neubau oder in der Sanierung ein Lüftungskonzept erstellen sollen? Ist doch nur verständlich, dass solcher Mehraufwand nicht auf offene Ohren stößt. Somit hat die Umfrage wenig Substanz in der Sache, sondern eher die Ablehnung des Aufwands welcher hierfür betrieben werden muss, inkl. der Planung möglicher „Zwangslüftungen“. 

Wenn die DIN 1946-6 rechtlich nicht bindend ist, wird sie dann nicht obsolet?

„Die Gerichte sind berechtigt, eine DIN, die von den Fachleuten nicht akzeptiert und nicht umgesetzt wird, auch im Rechtstreit unberücksichtigt zu lassen. Eine formelle Aufhebung einer DIN kann aber nur der Normausschuss selber beim DIN-Institut aussprechen. Das ist allerdings nach meiner Einschätzung nicht zu erwarten.”

Natürlich nicht! Wie sollen fachunkundige Richter eine Norm in Frage stellen, wenn die Fachwelt dies noch nicht in der Gänze gemacht hat und der Normenausschuß die Schwachstellen noch nicht korrigiert hat. Warum nur nicht?

Kann der KLIMAGRIFF® aus juristischer Sicht die Schwächen der DIN 1946-6 überbrücken?

„Die DIN 1946-6 dürfte einer Verwendung von Lüftungshilfen in Wohnungen nicht entgegenstehen. Zum einen findet die Norm nur für Neu- und Umbauten Anwendung. Zum anderen ist die DIN nicht als verbindliche Regel der Bautechnik anerkannt. Die mietrechtliche Rechtsprechung sieht nach wie vor, den Mieter in der Verantwortung für Schimmelschäden zu nehmen, wenn dieser nicht ausreichend lüftet. Der täglich vor Gericht geführte Streit zwischen Vermieter und Mieter über die Lüftung lässt sich sicher reduzieren, wenn der Mieter an das Lüften erinnert wird und dem Vermieter eine Dokumentation der Lüftung vorliegt.”

Das Lüftungsverhalten von Mietern sachverständig nachzuweisen ist faktisch unter realen Bedingungen nicht möglich. Der Sachverständige kann nur alle möglichen baulichen Mängel ausschließen, welche zum Schimmelpilzbefall geführt haben.

Sachverständig und juristisch sehe ich ein weiteres Problem, wenn lediglich auf den KLIMAGRIFF in Mietverträgen als Heilsbringer verwiesen wird. Dies ist definitiv nicht so. So löst der KLIMAGRIFF keine möglichen baulichen Mängel. Soll heißen, dass der KLIMAGRIFF nicht „weiß“, wo anfallendes Wasser in der Raumfeuchte herkommt! Auch mit Vorsicht sollten Ergebisse des Klimagriffs bei geschlossenen Rollläden interpretiert werden, welche in der kalten Jahreszeit mehr geschlossen als offen sind. Siehe hierzu: Fensterfalzlüfter bei geschlossenen Rollläden.

Allerdings wird ein Vermieter ständig zu hohe rel. Luftfeuchten in Wohneinheiten, welche auch noch durch die Lüftungsprotokolle des Klimagriffs bestätigt werden, überhaupt nicht mehr in Frage stellen, ob mögliche bauliche Mängel dafür verantwortlich sind. Ich sehe auch in gewisser Weise ein juristisches Problem in Sachen „Überwachung des Mieters“, wenn dieser zur Übergabe der Lüftungsdokumentation in einem Mietvertrag verpflichtet wird.

Anfragen beantwortet Ihnen gerne
Herr Georg Meyer,
Geschäftsführer der Klimagriff GmbH,
unter Tel. 0160/97317033
oder per Mail an g.meyer@schimmelprotektor.de

1 comment
  • Wie aus dem Interview mit Prof. Meiendresch hervorgeht, ist die Rechtslage rund um das Lüften zum Zweck der Schimmelprävention unklar. Meiendresch erklärt auch, warum das so ist.

    Die DIN 1946-6 ist deshalb keine Hilfe, da sie ja unter Experten umstritten ist. Sie wird zumindest in Teilen nicht als Regel der Technik anerkannt und deshalb von Juristen nicht berücksichtigt – bei Mietobjekten, für die ein nach der Norm ausgerichtetes Lüftungskonzept vorliegt, stellt das bei einem Schimmelbefall ein Problem dar.

    Wohnungen sollten individuell betrachtet werden, da unterschiedliche Faktoren Einfluss auf das Raumklima von innenräumen nehmen. Insofern sollte über ein bedarfsgerechtes Lüftungskonzept nachgedacht werden, statt auf ein DIN 1946-6 konformes, nutzerunabhängiges Lüftungskonzept zu pochen, das möglicherweise gar nicht funktioniert.

    Zu der These, dass ein Sachverständiger das Nutzerlüftungsverhalten faktisch nicht nachweisen könne, sei gesagt, dass ein Gutachter oder Sachverständige mit dem Klimagriff tatsächlich ein Instrument an der Hand hätte, mit dessen Hilfe das Lüftungsverhalten der Wohnungsnutzer nachweisbar ist, da er die relevanten Daten (Raumtemperatur, relative Luftfeuchtigkeit und die Fensterposition, vor allem wann und wie lange gelüftet worden ist) erfasst und in einen Lüftungsreport darstellt. Das sollte ausreichen, um falsches Lüftungsverhalten als Ursache zu identifizieren oder auszuschließen.

    Dass auch bauliche Mängel Feuchtigkeits- und Schimmelschäden verursachen, bestreitet niemand. Im Rahmen ihrer Untersuchung fahnden Gutachter und Sachverständige nach solchen Schäden und lassen sie in ihr Gutachten fließen, wenn solche Schäden vorliegen.

    Zu den „Gesetzen der Bauphysik“: Ein wichtiger Punkt, der in der Diskussion um Wärmedämmung und co. vielleicht zu kurz kommt, ist die Feuchtebelastung und der Feuchtetransport der Baustoffe. Entstünde überhaupt eine Wärmebrücke, wenn das betroffene Bauteil trocken wäre? Vier Prozent Schadensfeuchte in einem Bauteil reduzieren den Dämmwert immerhin um 50 Prozent.